Der Private Banking-Markt setzt auf den ersten Blick seine positive Entwicklung weiter fort. Er ist aufgrund seines Wachstums und Attraktivität hart umkämpft. Allerdings kämpft die Branche mit den Folgen der Regulierung und mit Sparprogrammen, die für das Private Banking gleichfalls schmerzliche Standortschließungen beinhalten. Eine Vielzahl bewährter, aber auch neuer Marktteilnehmer versucht, mit teils stark abweichenden und sich verändernden Geschäftsmodellen dem zunehmendem Marktdruck gerecht zu werden, um so seine Position zu verteidigen bzw. neue Kunden gewinnen zu können. So erfährt das Private Banking derzeit einen nie da gewesenen Umbruch. Die Veränderungen werden stark getrieben durch:
Bei Durchsicht der wichtigsten Schlüsselgrößen für die anstehenden tiefgreifenden Veränderungen fällt ins Auge, dass sie überwiegend einen technischen Bezug haben. So überrascht es nicht, dass gerade im Private-Banking-Segment die Kunden große Sorgen im Hinblick auf Daten- und Cybersicherheitsfragen reklamieren. Der agile und primär kundenorientierte Markteintritt von FinTechs bewirkt bei den Anlegern die Aufgabe passiven Verhaltens. Sie setzen entsprechend auf jederzeit verfügbare digitale Angebote. Kunden wollen die Steuerung ihres Vermögensaufbaus und die Abstimmung mit ihrer Lebensplanung nach Möglichkeit gemeinsam mit ihrem Kundenberater abstimmen, oder dies sogar komplett autonom in die Hand nehmen.
Neue Technologien und die Rolle von FinTechs
Für Konsumenten ist es nahezu Alltag geworden, die Vorteile moderner Technologien und der Digitalisierung zu nutzen. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Geschäftsfelder des Private Bankings aus. So informieren sich fast drei Viertel der Bundesbürger im Internet vor einem persönlichen Beratungsgespräch. Die Nutzung von Vergleichsportalen und Finanz-Apps weisen steigende Downloads und Nutzerzahlen auf. In naher Zukunft wird jeder zweite Verbraucher in entwickelten Märkten zum mobilen Bezahlen ausschließlich Smartphones verwenden, und bereits jetzt bekennt jeder zweite Bankkunde weltweit, dass er die Angebote von FinTechs nutzt. Richtungsweisend ist das veränderte Kundenverhalten gerade der technikaffinen und vermögenden Kunden in aufstrebenden Märkten. So nutzen in China und Indien bereits über drei Viertel der Kunden Dienstleistungen von FinTech-Start-ups. Nach Segmenten aufgeteilt erzielen FinTechs weltweit die größte Steigerung bei der Vermögensverwaltung mit 17,4 Prozent (Europa 16,5 Prozent) Zuwachs, während weitere 27,4 Prozent (Europa 19,5 Prozent) zu ihren bisherigen Betreuern die Angebotspalette von FinTechs parallel nutzen.
Da FinTechs überwiegend Nischen-Angebote mit hohem Digitalisierungsgrad abdecken, nimmt bereits nahezu jeder zweite Kunde Dienstleistungen von mehr als drei FinTech-Anbietern in Anspruch. Dieser „Stock-Picking-Trend“, indem Kunden eigenständig mehrere für sie als lukrativ erscheinende FinTech-Bausteine zusammensetzen, bricht den klassischen ganzheitlichen Ansatz einer Vermögensberatung auf. Bei einer hohen Aufspaltung in einzelne Segmente ergeben sich Koordinations- und Abstimmungsprobleme mit der Gefahr, dass konkurrierende Unterziele das Erreichen des Hauptziels gefährden. Auch Multiplikatoreffekte, beispielsweise in der Risikogewichtung1, können nicht ausreichend und einheitlich berücksichtigt werden.
Neue Chancen und Möglichkeiten
Die aktuelle Entwicklung öffnet aber auch Chancen für das Private Banking in etablierten Bankhäusern, da bei den Kunden erhebliche Vertrauensdefizite gegenüber FinTechs bestehen. Mehrere Marktuntersuchungen kommen – wenngleich mit unterschiedlicher Gewichtung – übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass zwar im Hinblick auf Technologie, Kundennähe und Applikationsvielfalt FinTechs echte Alternativen darstellen, aber auch internetaffine Kunden dennoch nur geringes Vertrauen in die neuen Wettbewerber haben. Über 70 Prozent der Kunden wünschen sich, trotz digitaler Möglichkeiten, einen persönlichen Ansprechpartner bei ihrer Bank kontaktieren zu können. Kunden legen Wert auf Beratung in ihrer Nähe und einige Beobacher melden, dass der Trend zur Beratung in der Bank insgesamt steigt. Dies überrascht insofern, als der Bankenwelt einerseits ein hoher Vertrauensverlust bescheinigt wird. Andererseits scheinen die Kunden die Vorzüge eines hohen Schutzes durch das Sicherheitsnetz aus Regulierung und Aufsicht hoch zu schätzen, das sie vor Betrug und Missbrauch persönlicher und finanzieller Daten bewahrt. Weiter werden im Rahmen der Leistungserstellung auch die gesetzlich verankerten Verbraucherschutznormen, die Mindeststandards in der Kundenberatung wie Service-Qualität und Transparenz beinhalten, positiv wahrgenommen. Auch die Vertraulichkeit durch die persönliche Kundenanbindung wird geschätzt. FinTechs wiederum unterschätzen häufig die Bedeutung der Regulatorik, aber auch die Empfindlichkeit der Verbraucher.
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